Neßler, Viktor (1841-1890), Der Trompeter von Säckingen. Interpreten: Prey, Hawlata, Kuhn, Klepper, Hagen, Rundfunkchor und Rundfunkorchester Köln, Ltg.: Helmuth Froschauer. Doppel-CD.
Studentengeschichtliche Anmerkung
Der Komponist Viktor Neßler (1841–1890), ein Elsässer Pfarrerssohn, der nach einem frühen Opernerfolg sein Theologiestudium in Straßburg aufgegeben mußte und sich folglich ganz der Musik widmete, war ein typisches Kind der frühen Romantik. Neben Liedkompositionen nach Texten Freiligraths und Platens schrieb er volkstümliche Spielopern wie »Dornröschens Brautfahrt«, »Der wilde Jäger« und »Der Rattenfänger von Hameln«“. Der Erfolg dieses Werkes ermöglichte ihm, seine Stelle als Kapellmeister in Leipzig aufzugeben und als freier Komponist zu leben. 1882 machte er sich an die Vertonung eines des erfolgreichsten Werke jener Zeit, des Versepos »Der Trompeter von Säckingen«, das 1854 erschienen war und den Ruhm seines Autors Josef Viktor (ab 1876: von) Scheffel begründete. Der Dichter hatte persönlich seine Zustimmung gegeben – nicht ohne Skepsis, denn frühere Vertonungen durch Bernhard Scholz und Emil Kaiser hatten sein ausdrückliches Mißfallen erregt. Neßler bediente sich eines Librettos seines Freundes Rudolf Bunge (1836–1907), der zwar Scheffelsche Verse in den Text aufnahm, den dramatischen Ablauf aber empfindlich verkürzte und zugunsten dekorativer Ballett- und Chorszenen verflachte. Dennoch: Die Oper – dem später weltberühmten Dirigenten Arthur Nikisch gewidmet – wurde mit ihrer Uraufführung am 4. Mai 1884 in Leipzig unter Nikischs Dirigat ein durchschlagender Erfolg und machte Neßler über Nacht berühmt. Es sollte allerdings sein letzter bleiben; spätere Opernversuche wurden zum Desaster.
Schon Scheffel hatte im Trompeter-Epos, das auf Capri entstanden ist, manch Autobiographisches verarbeitet, so auch studentische Impressionen und seine Haltung zum ungeliebten Jura-Studium. Der Librettist Bunge nimmt das zum Anlaß, die Oper mit einer Studentenszene beginnen zu lassen – ein Vorspiel, ähnlich der Lutter-Szene in Offenbachs »Hoffmanns Erzählungen«, ohne freilich deren Qualität zu erreichen. Dennoch wurde damit eine der wenigen studentischen Opernszenen geschaffen, und gerade in dieser bewährt sich Neßlers Talent für Lied, Chor und Ensemble. Während es manchmal etwas mühevoll ist, sich durch die pathetisch-deklamierenden Soli und schwermütig-sentimentalen Duette seiner drei Akte hindurchzuhören, macht das gut zwanzigminütige Vorspiel durchaus Vergnügen.
Es beginnt mit einem der populärsten Scheffel-Lieder, mit »Alt-Heidelberg, du feine« als Chor der Studenten, die mit den Landsknechten in Streit geraten. Der Jura-Student Werner Kirchhofer – Protagonist in baritonaler Lage – läßt ganz im scheffelschen Ton seine Tirade auf das römische Recht vom Stapel. Als es zum Gefecht zwischen Burschen und Soldaten kommt, greift der Rektor mit sonorer Baßstimme persönlich ein und droht mit Relegation, was zum choralen Auszug der Studenten aus Heidelberg führt und somit dem Lauf der Handlung den Weg bereitet ...
Höhepunkt der Oper ist freilich Werners Arie, welche den Schluß des zweiten Aktes bildet: »Das ist im Leben häßlich eingerichtet« hält sich an Scheffels Vorlage, ein dreistrophiges Lied, von Neßler einfühlsam und unkapriziös in Töne gesetzt. Der dreimalige Refrain »Behüt dich Gott, es wär zu schön gewesen, behüt dich Gott, es hat nicht sollen sein« ist sprichwörtlich und als einziges Stück aus Neßlers Oper populär geworden – überdies ein Gradmesser gesanglicher Diskretion.
Neßler hat das »Alt Heidelberg« später noch ein weiteres Mal vertont, ebenso Scheffels Perkeo, doch beides ging nicht in das studentische Repertoire ein. Für die Straßburger Verbindung Wilhelmitana (Schwarzburgbund), der er 1861 beigetreten war, vertonte er zum 25. Stiftungsfest 1880 zwei Gedichte. Die Stadt Straßburg ehrte ihn durch Errichtung eines Denkmals in der Orangerie.
Zwar hat es Neßlers Trompeteroper bis auf die Bretter der Metropolitan Opera gebracht (1887) und hat kein geringerer als Gustav Mahler (der übrigens eine weitgehend verlorene Bühnenmusik zu Scheffels Trompeter geschrieben hat) sie 1885 in Prag dirigiert, dennoch blieb sie – wie auch Scheffels Werk – zeitgebunden, das heißt auf die Rezeption des 19. Jahrhunderts beschränkt. Schon Eduard Hanslick meinte, das Merkwürdigste an dieser Oper wäre ihr Erfolg. Heute nähert man sich dem Werk, wenn überhaupt, nur mehr mit Ironie, so 1999 in einer Inszenierung am Freiberger Theater. Auf Tonträger liegt uns allerdings eine musikalisch hochwertige Aufnahme aus dem Jahr 1994 vor, auf der kein Geringerer als Hermann Prey die Partie des Werner singt. Helmuth Froschauer dirigiert das Kölner Rundfunkorchester und den Rundfunkchor. Die Doppel-CD ist mit einem ausführlichen Booklet ausgestattet und beim Label Capriccio unter der Nr. 60055-2 erhältlich. akadpress liefert sie für 26,99 Euro.
Raimund Lang
Studenten-Kurier 4/2005 |